Willkommen Paradox

Oktober 2022

Wie gehst du, wie gehen Sie mit Ihren eigenen widersprüchlichen Gedanken, Meinungen und Gefühlen um?

Mich persönlich stresst ein inneres Paradox besonders, wenn ich meinem Selbstappell erliege: „Nun sei endlich sortiert darüber, wie deine Einstellung ist, was du fühlst und was du willst, Karin! Und am besten kommst du dann gleich in´s Handeln.“ Die Klarheit liegt jedoch oft im „sowohl als auch“, in der eindeutigen Annahme der Existenz des Widerspruchs. Beispielsweise freue ich mich zur Zeit riesig, dass mein Sohn vergangenen Monat zum Studieren nach Süddeutschland gezogen ist, dass er Ideen für sein Leben hat und seiner Wege geht, und gleichzeitig bin ich tief traurig, weil er weit weg ist, ich vermisse ihn zu Hause. Kompetenz bedeutet zuweilen, ein Paradox willkommen zu heißen.

Dazu Gedanken im Video, bitte „externe Inhalte dieser Nachricht anzeigen“ aktivieren:

Das Thema "Paradox" im Coaching

Ein Coachee erarbeitet Handlungsschritte zum Abbau von Überstunden, eine Führungskraft will Teamkonflikte klären, eine nächste Coachee möchte oberste Priorität auf die Fertigstellung einer wichtigen Arbeit legen, doch keine/r setzt die Dinge um. Die Begründungen dafür liegen meist im Außen – zu viele Anforderungen, Personalausfall o.a. -, im Innen macht sich allerdings Unzufriedenheit breit.

Wo liegt nun die stimmige Antwort? In der Selbstbeforschung geht es darum, das Paradox zu verstehen, es anzunehmen und zum Teil gegenläufige Ideen gleichzeitig zu verfolgen. Ein Zugang ist das sogenannte Tetralemma, bei dem die Coachees 5 Positionen aufstellen: „Entweder“, „oder“, „sowohl als auch“, „weder noch“ und „dies alles nicht …“. Die Auflösung liegt in der Regel nicht im Mittelweg – der wäre wie „grau“ statt „hell und dunkel“, sondern in einem beherzten „sowohl als auch“ oder „weder noch“.

Inneres Kompetenzerleben und Ruhe treten dann ein, wenn die Widersprüchlichkeit erkannt ist und sein darf.

Abschließend eine Einladung, mit Hilfe des Paradox unsere ungeliebten Seiten zu würdigen:

„Vulnerability is the first thing we look for in other people, and the last thing we want to show them about ourselves.” Brené Brown (research professor University of Houston):

Atlas of the heart, penguin London 2021, 82.